Nanomedikamente werden besser auf einige Krebserkrankungen abzielen
Die Natur ist eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für die Entwicklung neuer Technologien, und die Nanotechnologie bildet da keine Ausnahme. Insbesondere der „Lotuseffekt“ lieferte die Inspiration für die Entwicklung selbstreinigender Oberflächen. Die heutigen fortschrittlichen Nanotechnologien verbinden verschiedene Wissenschaftsdisziplinen wie Physik, Chemie, Molekularbiologie und Robotik und sind zu einem integralen Bestandteil des modernen Lebens geworden. Nanostrukturen haben in verschiedenen Bereichen Einzug gehalten, von der Kosmetik bis hin zur Computertechnologie. Im medizinischen Bereich spielen sie eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung neuer therapeutischer Methoden, wie z. B. Nanomedikamente.
Die Pioniere der Nanotechnologie
Der Pionier der Nanotechnologie war Richard Phillips Feynman, ein charismatischer theoretischer Physiker und herausragender Wissenschaftspopularisierer. Sein visionärer Vortrag „There’s plenty of room at the bottom“ aus dem Jahr 1959 stellte die revolutionäre Idee der gezielten Kontrolle von Atomen und Teilchen vor, die damals wie Science-Fiction wirkte. Seine Arbeiten im Bereich der Quanten-Elektrodynamik brachten ihm den Nobelpreis ein, und seine Fähigkeit, komplexe Konzepte der Öffentlichkeit verständlich zu machen, wurde von Persönlichkeiten wie Bill Gates anerkannt, der ihn als den „besten Lehrer, den er nie hatte“ bezeichnete.
In den folgenden Jahrzehnten wurde Feynmans Vision allmählich Realität. Computer, die früher einen ganzen Raum einnahmen, wurden auf Laptops verkleinert, neue Mikroskopiemethoden ermöglichten das Studium von Nanoobjekten, und seit Anfang der 1990er Jahre wird erfolgreich mit Nanomaterialien experimentiert. Der Begriff „Nanotechnologie“ für dieses neue revolutionäre Feld wurde 1974 von dem japanischen Wissenschaftler Norio Tamaguchi eingeführt.
Gezielte Behandlung von Krebserkrankungen
Die Nanotechnologie ermöglicht heute die Herstellung von Präparaten und die Entwicklung von Therapiemethoden, die genau auf bestimmte Zellen oder Gewebe abzielen. So werden beispielsweise Nanopartikel zur Verabreichung von Chemotherapeutika verwendet. Das Tumorumfeld, das mit einer erhöhten Durchlässigkeit der Tumorgefäße und Störungen des Lymphkreislaufs verbunden ist, unterstützt die Akkumulation von Nanopartikeln im Tumor. Das Medikament wird erst freigesetzt, wenn es mit der Tumorzelle in Kontakt kommt, wodurch die Krankheit schonend und ohne die für herkömmliche Chemotherapie typischen Nebenwirkungen behandelt wird.
Nanotherapeutika stellen zweifellos einen der neuesten und vielversprechendsten Bereiche der medizinischen Forschung dar, der die Behandlung und Prognose vieler Patienten erheblich verbessern könnte.
Das Problem der Heterogenität von Tumoren
Die Übertragung dieser Technologie in die klinische Praxis erfüllt jedoch noch nicht die Erwartungen. Nanomedikamente wirken nicht bei allen Patienten gleichermaßen, was nicht überraschend ist. Ähnlich wie bei der Einführung von zielgerichteten oder biologischen Therapien für heterogene Tumoren gibt es auch hier Unterschiede in der Reaktion der einzelnen Patienten. „Sie vernichten die Tumorzellen, die das offensichtliche Ziel waren, aber Sie selektieren diejenigen, die entkommen und weiter wachsen, weil sie nicht die gleichen Zielstrukturen aufweisen und/oder es zu einem Erschöpfen der Effektoren gekommen ist“, betont der Onkologe Prof. MUDr. Jan Žaloudík, CSc.
Der Schlüssel zur Wirksamkeit der Behandlung
Insgesamt 12 Teams aus verschiedenen Ländern, darunter auch Wissenschaftler des Instituts für Makromolekulare Chemie der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik (ÚMCh), konzentrierten sich auf die Untersuchung der Wirksamkeit fortschrittlicher Formen von Nanomedikamenten bei Patienten. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der renommierten Zeitschrift Nature Biomedical Engineering veröffentlicht.
Die Forscher identifizierten 23 Tumormarker und verglichen sie mittels maschinellem Lernen mit der Akkumulation von Nanomedikamenten in verschiedenen Tumormodellen. Für die Studie wurden zwei der am häufigsten verwendeten Nanosysteme zur Behandlung von malignen Tumoren ausgewählt. Nach eingehender Analyse wurde die Auswahl auf sechs Parameter eingegrenzt, die mit der Verteilung der Nanosysteme im Tumorgewebe korrelierten. Fünf davon betrafen das Endothel der Blutgefäße im Tumorgewebe, und einer die Anzahl der Makrophagen im Tumorumfeld.
„Unsere Aufgabe war es, eines der in der Studie verwendeten Modellnanosysteme vorzubereiten. Es musste mehrere Bedingungen erfüllen: Es durfte keine Nebenwirkungen verursachen und musste sich wirksam im Gewebe der untersuchten Tumoren akkumulieren", erklärt der Leiter der Abteilung für Biomedizinische Polymere des ÚMCh der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, RNDr. Tomáš Etrych, DSc., der an der Studie beteiligt war.
Das vorbereitete polymere System wurde markiert, um es im Körper von Versuchstieren verfolgen zu können. „Mithilfe der Fluoreszenz-Molekulartomografie, der modernsten Methode der optischen Bildgebung in Verbindung mit der Computertomografie, konnten wir die Akkumulation des Nanosystems im Tumorgewebe der Versuchstiere detailliert untersuchen“, fügt Dr. Etrych hinzu.
Ein weiterer Schritt zur klinischen Translation der Nanomedizin
Die Ergebnisse dieser Forschung haben das Potenzial, in künftigen prospektiven Studien genutzt zu werden. Ziel der präsentierten Studie war es, ein robustes und unkompliziertes Protokoll zur Stratifikation von Patienten in klinischen Studien mit onkologischen Nanomedikamenten zu erstellen. Als Schlüssel-Prädiktorfaktoren erwiesen sich Parameter im Zusammenhang mit der Gefäßversorgung des Tumors und mit Tumor-assoziierten Makrophagen. Anhand dieser beiden Parameter konnte ein Scoring-System entwickelt werden, das gut mit der Akkumulation von liposomalem Doxorubicin in Tumoren eines experimentellen Mausmodells korrelierte.
Die Ergebnisse dieser Studie tragen somit zur Identifizierung neuer histopathologischer Biomarker von Tumorgewebe bei, die helfen werden, Patienten für die Aufnahme in die verschiedenen Studiengruppen zu identifizieren. Dieser Schritt dürfte letztlich die Wahrscheinlichkeit des klinischen Erfolgs der entwickelten Nanotherapeutika erhöhen.
Quellen: 1. May J. N., Moss J. I., Mueller F. et al. Histopathological biomarkers for predicting the tumour accumulation of nanomedicines. Nat Biomed Eng. 2024, doi: 10.1038/s41551-024-01197-4 [Epub ahead of print]. 2. Vědci vyvinuli strategii, jak určit, zda bude nanoterapie účinná pro pacienta. Akademie věd ČR, 15. 4. 2024. 3. Treatment and therapy. National Cancer Institute, 2023 Sep 30.